Positionierung: Verkaufsoffene Sonntage
Verkaufsoffen sind Sonntage ohne hin. Offen ist der Verkauf von Tickets fürs Kino, das Theater oder Museen. Offen ist der Verkauf von Gerichten im Restaurant, Drinks an der Bar; Milch, Zeitschriften und Tabak am Kiosk, oder seit neustem Klopapier und Orangensaft in der „to go“ Variante einer zum 90sten Bestehnsjahr jubilierenden Supermarktkette am Frankfurter Hauptbahnhof.
Was kann man üblicherweise am Sonntag nicht machen? Sich durch gefüllte Einkaufspassagen drängen, um in den riesigen Kaufhäusern zu flanieren, um sich dann Waren anzuschauen, die man kaufen könnte („vielleicht ist ja was dabei“) und dann irgendwo was zu futtern aufzutreiben. Das kann man Samstags machen.
Der Sonntag bietet Raum für andere Aktivitäten – und Entspannung. Die Innenstadt – sonst überflutet – ist in Ruhe genießbar. Es gibt wenig Lärm durch Autos und Spaziergänge ohne Shoppingbeute sind nun auch möglich. Man meint zu Weilen zum ersten Mal in der Woche die Vögel wieder hören zu können.
Ein Mal alle paar Monate, wenn es heißt „Nächste Woche verkaufsoffener Sonntag!!!“ kann man wieder vergessen sich zu entspannen und sich dafür wieder dem Wahn fröhnen, Waren zu kaufen und daheim Plastiktüten zu sammeln.
Dies sei so gesagt, als leichte Konsumkritik. Aber darum geht es nicht nur.
„Der Schutz des Sonntages ist religiös begründet und stammt aus dem Christentum. Wir leben in einem säkularen Staat, und die freie Marktwirtschaft sollte sich nicht durch archaische Traditionen eingeschränkt werden.“
Religion bestimmt den Menschen, und so bestimmt auch der Mensch die Religion. Für mich hat der „heilige“ Sonntag einen Zweck für die Menschen. Ähnliche wie beim jüdischen Sabbat, soll man sich alle paar Tage ein oder zwei Tage frei nehmen, um Dinge zu tun, für die man üblicherweise unter der Woche keine Zeit hat. Dazu gehört auch eine Freiheit von Handlungszwängen und die Freiheit über sie, die erst durch die Wegnahme von Möglichkeiten möglich wird. Insbesondere durch die Wegnahme der Möglichkeit Dinge zu tun, die die Stresstoleranz des Menschen auf den Prüfstand stellen. Das Wochenende und besonders der Sonntag sollten dazu dienen, mit der Familie, sich selbst oder anderen Menschen qualitativ Zeit zu verbringen, und im Idealfall das Stressniveau der Tage herunterzufahren.
Unfairer Markt
Online Handel ist omnipräsent. Ich brauche keine Namen zu nennen. Was wir online kaufen, kaufen wir nicht im Laden. Deswegen kaufen wir es online. Bequem und unpersönlich, digital. Die Waren, die wir im Laden kaufen, kaufen wir (noch) nicht online. Dazu zählen in erster Linie ungekochte Nahrungsmittel. Manche Lokale vertreiben beispielsweise auch online ihre Speisen, und kommen damit gut oder sogar besser durch; manche gehen pleite. Lokale Läden jeder Branche und jeder Art sind täglich mit der Digitalisierung konfrontiert. Der Kampf Online vs. Lokal ist folglich keiner, der durch den verkaufsoffenen Sonntag entschieden wird.
Immer sollte man Sonntags einkaufen können: Eintrittskarten für den Besuch von Freizeitaktivitäten der Kultur oder des Sports. Nahrungsmittel. Gebrühte Heißgetränke.
Alle paar Monate kann ein Sonntag für alle Läden verkaufsoffen sein. Dabei darf nicht vergessen werden, dass auch die auf der Verkaufsseite stehenden Menschen einen dementsprechend erhöhte
Arbeitsentschädigung bekommen sollten. Wenn eine solche Entlohnung nicht veranlasst wird, wäre dies ein Schritt zum vollständigen Bruch des Wochenendes: Fließende Arbeitszeiten über das Wochenende. Unregelmäßigkeit. Abschied von der 5-Tage Woche. Samstag das Auto anmelden. Sonntag die Scheidung einreichen. Dann die Liberalisierung der Arbeitszeiten: Um 2 Uhr morgens Arbeitsbeginn im Büro. Um 11 Uhr Feierabend, um 19h geht‘s wieder ran.
Wenn wiederum Menschen dauerhaft für Wochenendarbeit mehr Geld bekommen würden, so würden die Ladenpreise der Waren auch dauerhaft steigen, und der Lokale Vertrieb gegenüber dem Online Vertrieb nicht konkurrenzfähig bleiben. Es sei denn man würde „Sonntagspreise“ verlangen. Aber deren Erfolg wäre unwahrscheinlich. Eine gerechte Öffnung des Sonntags durch entsprechenden Lohn ist also eine schlechte Option, und das Argument für den „unfairen Marktvorteil“ nur durch seinerseits unfaire Arbeitsbedingungen möglich. Folglich ein Widerspruch.
„In anderen Ländern ist es Gang und Gebe alle Waren und Dienstleistungen auch sonntags beziehen zu können.“
Dort sind die davon betroffenen Waren entweder dauerhaft überteuert, oder die direkt am Verkauf beteiligten ausgebeutet.
Ich spreche mich klar aus gegen die dauerhafte und hochfrequente Öffnung des Sonntags.
Ein Aufsatz von Philipp Blaich